Berlin, du grauer Segen. Ich komme zu dir zurück.
Ich wache schweißgebadet auf, die Sonne lacht bösartig durch einen Spalt zwischen den Gardinen. Als wollte sie mich hämisch darauf aufmerksam machen, wie verkorkst ich doch sein muss, dass ich mitten im Hochsommer bis abends schlafe anstatt den Nachmittag zu nutzen und schwimmen zu gehen oder zumindest mit einem guten Buch ein Café zu besuchen oder mich überhaupt sozial zu integrieren. Eben das tun, was die Welt so tut.
Verdammter Sommer, normalerweise wäre die Sonne längst da, wo sie hingehört – weit weg von mir, wo man sie nicht sehen kann!
Ich denke eine Limo am Kiosk zu kaufen hätte schon ausgereicht um meinen weißhaarigen Psychologen glücklich zu machen. Seine Augen hätten hinter der Hornbrille gestrahlt und ich hätte den Hoffnungsschimmer gesehen und das leichte Zucken eines Lächeln um seine Mundwinkel, weil er gedachte hätte, „für den Jungen gibt es ja doch noch eine Rettung“.
Aber die gibt es nicht – ich habe keine Limo gekauft.
Ich habe bis abends geschlafen.
Betrunken.
„Sie müssen lernen, Ihre inneren Unsicherheiten zu überwinden“ hat er gesagt. „Sie müssen lernen, sich nicht mehr abzuschotten – Sie sind genauso Teil dieser Gesellschaft wie ich oder Molly am Empfang“ hat er gesagt. Doch die Gesellschaft will mich offensichtlich nicht und das ist okay. Ich will sie schließlich genauso wenig.
Oder?
Ich richte mich verschlafen auf und wanke ins Badezimmer. Meine Zigaretten und mein Glas Whisky stehen noch am gleichen Platz wie vorhin.
Nach der halben Flasche muss ich zum Bett gewankt und eingeschlafen sein.
Tja, Scheiß Leben haben die Verrückten, die Neurotiker, die Kranken.
Der Qualm brennt in meinen Augen und der Selbsthass steigt mit jedem Zug, droht mich zu verschlingen – ein grimmig dreinblickendes Monster, voller Gier, voller Hunger und Wut.
Ich werde abreisen, ich kann nicht mehr.
Was soll ich hier noch?
Ich habe es verbockt.
Wie immer.
Vielleicht gehe ich zu meiner Frau.
Nein.
Ich reise ab und gehe zu meinem Therapeuten und erzähle ihm mit Schadenfreude wie hoffnungslos ich bin, wie verloren.
Oder ich reise einfach nur ab in meine winzige, dunkle Berliner Wohnung und trinke dort weiter.
Ja, guter Plan!
Projekt soziale Integration: gescheitert.
Das akzeptiere ich – Scheitern ist ein Charakteristikum meines Daseins.
Von jedem Dasein – aber von meinem ganz besonders.
Benebelt vom Whisky werfe ich meine Klamotten in meine Reisetasche.
Bloß keine Zeit verschwenden, eine weitere Nacht überlebe ich nicht.
Ich sehe mich ein letztes Mal um – blicke auf die Scherben meines Muts, auf das Ende des Neuanfangs, nehme den Zimmerschlüssel mit der großen, goldenen Sieben und verschließe mein neues, gleich zu Beginn zerbrochenes Leben hinter mir.
Ich gebe mich dem Abgrund hin und während ich meine Reisetasche über die Schulter werfe und den Flur entlang gehe, zurück zum Ausgang, merke ich, wie mich meine innere Dunkelheit verschlingt und mir grinsend die Worte „Du Versager!“ vor die Füße kotzt.
Danke, Welt!
Und Tschüß.
Tom