finally

… sie haben es geschafft! Der erste Schritt ist gemacht: Er lächelt ihr zu. Sie rückt ein Stück näher. Er streicht sich durchs Haar. Sie streicht sich durchs Haar. Er streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Ich wende mich ab und mixe einen Drink für den merkwürdigen Kerl. Immerhin hat er es nach nahezu zwanzig Minuten an die Bar geschafft. Irgendwie sympathisch. Er scheint richtig zu arbeiten. Da hat er eine Belohnung verdient.

Lily

Herbst (2)

Heute ist es kalt wie im Herbst. Die Leute an der Bar bestellen Tee. Ende Juni. Ich sitze drinnen und schreibe weiter, denn Yeliz fragt unaufhörlich „Was ist passiert?“ und ich antworte seit Wochen „Diese Frage kann Literatur nicht beantworten“ und schreibe weiter:

„Kurz darauf entfesselte sich der Wahnsinn der Welt. Man stellte mich an die Wand wie viele andere auch. Weswegen? Wegen nichts. Die Gewehre gingen nicht los. Ich sagte bei mir: Gott, was machst du? Ich habe dann aufgehört, mich unsinnig aufzuführen. Die Welt zögerte – und kam dann wieder ins Gleichgewicht. Mit der Vernunft kam mir auch die Erinnerung zurück, und ich sah, daß ich selbst an den schlimmsten Tagen, wenn ich mich ganz und gar unglücklich glaubte, fast immer äußerst glücklich war. Das gab mir zu denken.“

Maurice

Glück?

Jetzt stehe ich hier im Schuhgeschäft und probiere die Schuhe an, die ich mir so lange als Geschenk für mich selbst gewünscht habe. Heute gönne ich sie mir. Mir allein. Warum ich mir selbst dieses Geschenk mache? Nun, meine Mutter sagt immer ,,Schuhe verschenkt man nicht, sonst läuft derjenige einem weg!“ Ob das stimmt? Keine Ahnung…
Alles, was ich weiß, ist folgendes:
Jetzt, wo ich die Schuhe in meinem Schuhschrank stehen habe, finde ich sie gar nicht mehr so besonders. Meine Freude hielt nur kurz und ich frage mich: Wieso machen sie mich nicht mehr so glücklich wie zu dem Zeitpunkt, als ich sie noch nicht besaß, aber mich über ihre Präsenz im Schaufenster gefreut habe?
Was bedeutet eigentlich Glück?

schuhe-von-deichmann-schwarz-elegant-sommer-frühling-2014-trends

Amy

Ronja

Bist du süß und keiner wusste wie du heißt. Alle hatten sie eine Heidenangst vor dir. Ich hab‘ aber gleich den Anhänger an deinem Halsband entdeckt – Ronja, das ist so ein schöner Name, der passt zu dir. Puhh, wenn du dich schon langweilst, dann versuch‘ es mal mit Zähneputzen! Unten im Shop gibt es Kaustangen mit Pfefferminzgeschmack – mal sehen, ob du die magst – nächstes Mal bring ich dir welche mit. Hey! Das tut weh! Runter von meinem Fuß, deine Krallen sind nicht aus Schaumgummi und – verdammt, eine Laufmasche – Misttöle, du wiegst doch mindenstens 40kg! – Oh ‚tschuldige! Ach komm schon, das magst du doch, hier, hinter den Ohren, oder nicht? Kommt nicht nochmal vor, du bist so ’ne Liebe, ich würd‘ ja zu gern‘ noch Stunden hier sitzen und dich kraulen, aber dafür werd‘ ich nicht bezahlt und den Blick hättest du sehen sollen, als ich Jürgen gefragt habe, ob ich mit dir Gassi gehen darf. Liegt bestimmt an diesem supersexy Kittel in hellblauem Poly-was-auch-immer. Das ist keine rote Uniform mit Goldknöpfen. Steht Seyed richtig gut, aber der hat solche Angst, der traut sich nie. Stell’dir vor, ich kann’s kaum glauben, aber Jürgen überlegt sich’s und vielleicht sehen wir uns bald wieder: „Dann tausch‘ ich eben Klamotten mit Seyed“ hab ich ihm an den Kopf geworfen – ganz schön dreist, was? Ist immerhin mein Chef aber Maggie stand daneben und meinte, das wäre kein übler Gedanke – so, auf zur 2 und du, du legst dich jetzt hier auf’s Bett und bestimmt kommt dein Frauchen bald zurück – Küsschen!
Lovelyn

Geldgewinn

Höre diese Woche immer wieder, dass irgendeine Frau bei Wer wird Millionär nichtmal die erste Frage beantworten konnte.
Mal ehrlich: die erste Frage ? Nach 45 Sekunden rausgeflogen!

Wenn ich mich mal anmelden würde, hätte ich locker die Millionen in der Tasche. Aber ich mache mich doch nicht zum Affen.

Wobei ein gefülltes Portemonnaie natürlich nicht schaden würde bei dem Hungerlohn und dem mickrigen Trinkgeld.

Dennis

Blind?!

Ich frage mich, wie lange es noch dauern wird. Jeder kann es sehen. Jeder kann es fühlen. Bis auf die beiden. Die haben keine Bretter vor dem Kopf, das sind ganze Holzbauten! Man möchte sie fast an die Hand nehmen, wie kleine Kinder und ihnen erklären, was das zwischen ihnen ist. Aber das würde meine Kompetenzen wahrlich übersteigen. Manchmal kann dieser Job verdammt frustrierend sein.

Lily

Lohnverhandlung

Jürgen sagt, wenn er uns allen, also auch den Aushilfen, den Mindestlohn zahlen würde, könne er dicht machen. So gut laufe der Laden nicht. Zauberer hin oder her. Der bekäme auch nicht viel.

„Immerhin hat der studiert.“
„Ja, ich weiß, ich nicht. So what?! Als hätte ich all die Jahre, die der Zauberer was auch immer studiert hat, nur rumgehangen. Ich hab gearbeitet seit ich 16 bin. Und der Typ ist jetzt mehr wert, oder was?“
„Seine Shows sind eine gute Werbung. Werbung ist teuer.“
„Mindestens den Mindestlohn musst du uns zahlen. Allen. Auch Seyed.“
„Wenn ich das mache, bin ich in null komma nix pleite.“
„Wenn du das nicht machst, streiken wir!“
„Wer ist wir?“

Jürgen nervt!

Lovelyn

Treppentexte II

Maurice hat weitergeschrieben. So richtig schlau werde ich nicht daraus. Wenn mich jemand fragen würde ‚was hat er erlebt‘, ich wüsste nicht, was ich antworten sollte. Obwohl wir reden. Er schreibt:

„Ich habe Menschen geliebt, ich habe sie verloren. Ich bin darüber wahnsinnig geworden, denn das ist die Hölle. Aber mein Wahnsinn blieb ohne Zeugen, meine Verstörtheit kam nicht zum Vorschein, nur mein Innerstes war wahnsinnig. Manchmal wurde ich wütend. Man sagte zu mir: Warum sind sie so ruhig? Dabei brannte ich am ganzen Körper. Nachts strich ich heulend durch die Straßen, am Tag arbeitete ich friedlich.“

Und ich lese.

Yeliz

erzählen

Es ist Sommer. Ich war am Rhein. Dort habe ich den Kurs für den Abend vorbereitet. Über Mittag, als es besonders heiß war, saß ich mit Yeliz in der Bibliothek. Sie fragt, warum ich hier bin. Einfach ist es nicht, das zu erzählen. Aber welche Geschichte lässt sich leicht erzählen. Yeliz bat mich, weiterzuschreiben.

Maurice

Zwischen Hoffnung und Furcht

Natascha.
Nur noch Natascha in meinem Kopf.
Wäre sie die Frau, auf die ich all die Jahre gewartet habe?
Bin ich verliebt? Ach was.. Ich kenne sie kaum.
Ihr Aussehen.. wunderbar. So ein schöner Mensch kann nur einen tollen Charakter haben.
Sie ist schön. Wirklich schön. Das meine ich so, wie ich es sage.
Nahezu perfekt… für mich…
Ihre Haare duften nach Parfum. Nicht aufdringlich, sondern einladend.
Lade ich sie auf einen Drink ein?
Soll ich? Soll ich nicht?
Meine Gedanken machen mich verrückt.
Wieso nicht?
Vielleicht an der Rezeption mal nach der Zimmernummer oder der Durchwahl fragen?
Ich versuche mein Glück….

Thomas

Fahrstuhlbekenntnisse

Was war das denn?
Das war ja wohl die merkwürdigste Begegnung die ich jemals in einem Fahrstuhl hatte. Und davon hatte ich schon einige!
Ich will in den Fahrstuhl einsteigen und hochfahren. Die Tür öffnet sich und ein Mann starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich starre zurück. Hoffentlich sah ich dabei nicht genau so doof aus wie er. Auf einmal rennt er raus, ich steige ein.
Er dreht sich zu mir um und steigt wieder ein.
Er steht seitlich zu mir. Wir fahren.
„Hallo“, sagt er. „Hi“, sag ich.
Auf einmal drückt er panisch auf den „öffnen“-Knopf.
Ich steige in der nächsten Etage aus. Er fährt wieder runter.
Irgendwie gruselig. Hoffentlich nicht nochmal im Fahrstuhl.

Natascha

Laurie kommt wirklich

Geschafft! Gerade bin ich angekommen. Morgen liest Laurie. Ich habe Fotos gesehen. Sie ist ganz jung. Wie sie wohl spricht? Eine Feministin. 2015. Wer nennt sich freiwillig so? Genug zu sagen hat sie ja. Die Lage für Frauen ist vielerorts miserabel. Ob sie darüber reden wird? Abtreibungsverbot. Beschneidung. Vergewaltigung. Kopftuchverbot. Oder spricht sie über Kapitalismus?

Ich war vorhin zum Essen unten. Im Restaurant stand ein Typ. Er hat sich ewig nicht gesetzt. Der komische Kerl aus der Bibliothek war auch da und hat ihn angestarrt als wollte er ein Loch in ihn bohren. Schon ein bisschen seltsam hier. Auch die Frau beim Einchecken. Ganz jung und total sympathisch. Aber gestottert hat sie, so sehr, dass ich sie gar nicht richtig verstanden habe. Hat trotzdem geklappt. Ich hab wieder das coole Zimmer mit dem Balkon.

Stella

frühstücken

Habe den Herumsteher heute wiedergesehen. Hat das Frühstück runtergeschlungen, nachdem er einen rekordverdächtigen Sprint zum Buffet und dann zu seinem Tisch gemacht hat. Wollte Augenkontakt zu ihm aufnehmen, aber er guckte nur auf den Boden oder auf seinen Teller. War er einfach im Stress oder was ist sein Problem ?

Maurice

Frühstück

Tief durchatmen.
3
2
1
Ich stoße die Tür zum Frühstücks-Saal auf: LÄRM.
Viele Menschen, klappernde Teller, Gespräche, Schmatzen, Schlürfen und schlimmeres – Willkommen in der Hölle!

Es kostet mich Überwindung nicht direkt wieder kehrt zu machen, aber ich muss das schaffen!
Schnell zum Buffet den Teller mit Brötchen und Belag bestücken, schnell eine Tasse mit Kaffee füllen, schnell hinsetzen, schnell essen und trinken, schnell wieder raus.
Mit Bauchschmerzen statt Sättigung ziehe ich mich zurück auf mein Zimmer. Vielleicht klappt es morgen besser.

Tom

Zauberer

Der neue Kollege ist gut! Macht nicht nur eine gute Show, macht auch gute Stimmung.
Jürgen hat sich beruhigt, das Wochenende im Hotel, trotz Sonnenschein draußen, war gar nicht schlimm. Wäre ich unterwegs gewesen, hätte ich Ally vermisst.
So habe ich mit Seyed geredet und super Essen in der Küche von unserem komischen Koch gehabt. Er hat für Seyed gekocht, weil der Heimweh hatte. Ich habe einem neuen Gast zugeschaut, der immer ewig braucht, bis er sich an die Rezeption ran traut. Und halt dem Zauberer.

Amy

König III

Wer will König sein?
Wer will das Zepter halten?
Wer will oben sitzen?
Wer will den schweren Mantel tragen?
Wer will die Königin neben sich?
Wer will Vasallen?
Wer will Gefolgschaft?
Wer will niemals allein sein?
Wer will immer allein sein?
Wer will den Ton angeben?
Wer will für sich tanzen lassen?
Wer will ernsthaft heute ein König sein?

Yeliz

Heute bin ich A-a-alphamädchen!

„…die kann nur rumstehen und schön aussehen“ und darauf folgte dann noch so ein schmieriges, ekelhaftes lachen. Er denkt ernsthaft ich höre das nicht…
Ich hasse diesen Mann! Nein, ich hasse ihn nicht, Hass ist ein Gefühl.
Ich kann ihn nicht ausstehen.

Er ist ständig da. Will immer Zimmer 8 und leert immer die Minibar (dabei ist er nur 2 bis maximal 3 Tage hier). Aber die Krönung ist, dass er immer, wenn er auf mich zu kommt und einchecken will irgendeinen blöden Spruch rauslässt. „Oh Frau Nicholls mit Brille, so ungewohnt intelligent“ oder „Wenn sie so einparken wie sie sprechen, muss ihr Auto ja total zerbeult sein“. Bloß, weil ich manchmal noch ein bisschen stottern muss. Dabei hat sich das schon so sehr gebessert. Das hat mir Dr. Heyne gestern noch bestätigt.

Es macht mich wütend, dass er mich jedes Mal wie ein Dummchen aussehen lässt. Aber nicht heute! Heute sag ich ihm meine Meinung dazu. Es dauert nicht mehr lange, so um 15 Uhr müsste er kommen. Und dann sag ich ihm, was ich immer schonmal sagen wollte..irgendwie freu ich mich dann in SEINE verdutze Visage zu blicken.

Maggie

blicken

Ein neuer Gast ist im Hotel. Es ziehen täglich Menschen ein und aus. Er ist mir aufgefallen und ich werde ihn nicht vergessen. Ein Herumsteher. Blickte sich in der Lobby um. Blickte und blickte. Kartografierte den Raum. Fenster, Mann, Rezeption, Frau, Klingel, Mann, Durchgang zum WC, Pflanze, Sofa, Frau, Frau, Pflanze, Fenster, Sessel, Mann, Drehtür. Er warf den Dingen und Menschen Blicke zu. Sie nahmen sie nicht auf und so musste er lange da herumstehen. Ich saß auch in der Lobby und sah ihm dabei zu. Auch ich nahm keinen seiner Blicke auf. Am Ende setzte er zum Sprung an. Die Rezeptionistin schaute kurz auf, lächelte, tippte seine Daten in den Computer und legte einen Schlüssel auf die Rezeption. Dann verschwand er.

Maurice

Therapie

Eine halbe Stunde stand ich verloren in der Rezeption. So viele Leute, so viele neue Eindrücke.
Mir ist das unangenehm, diese Massen, diese Öffentlichkeit. Ich fühle mich dann wie gelähmt und kann mich nicht bewegen. Mein Therapeut hat gesagt, ich müsste mich daran gewöhnen und mich meinen Ängsten stellen. Ich soll mich selbst mit unangenehmen Situationen konfrontieren. Also habe ich ein Zimmer in diesem Hotel in Düsseldorf gebucht und hier bin ich nun. Wie es mir dabei geht? Scheiße. Vielleicht war das ganze doch eine blöde Idee. Ich komme ja doch nicht damit klar. Eine halbe Stunde stand ich verloren in der Rezeption, wusste nicht wohin mit mir, war völlig verstört. Erst als es später wurde und die Lobby sich leerte, konnte ich mir ein Herz fassen und am Empfang nach meinem Zimmer fragen. Die Dame, die mir alles erklärte war nett. Auf ihrem Namensschild konnte ich den Namen Lily lesen. Was sie wohl von mir hielt? Schließlich hatte sie mich die ganze Zeit beobachtet wie ich dastand ohne etwas zutun. Bestimmt findet sie ich bin ein Freak. So wie immer alle von mir denken. Immer bin ich anders, der einzige Freak unter Normalos!
Ich wälze mich in dem fremden Bett und versuche nicht an den nächsten Tag zu denken. Schlafen. Ich muss endlich schlafen…

Tom

Ansteckend

Heute scheinen wirklich alle gute Laune zu haben. Kein Gast beschwert sich, kein Kollege meckert oder lästert.
Und das, obwohl es draußen so grau ist.. im Juni.
Aber ich lasse mich von der guten Laune anstecken! Einfach mal genießen.

Lily

Zurück im Leben

Der Urlaub tat gut. Genau das was ich gebraucht habe. Aber ich bin froh wieder in meinem Zimmer im Melangé zu sein. Es ist schön ein Zimmer in einem Hotel zu haben, um welches sich das Personal kümmert. Eine Wohnung würde sich einfach nicht lohnen, so oft wie ich unterwegs bin. Aber was macht man nicht alles für den Job. Gleich gehts auch schon wieder los. Die Arbeit ruft. Nur noch kurz an die Bar, einen Kaffee trinken. Diesmal ohne Milch.
In Düsseldorf war Japantag. Ich verstehe dieses ganze Spektakel um Mangas und diese Verkleidungen nicht. Was finden die Leute daran so toll? Ich frage Dennis gleich mal. Vielleicht kann er es mir sagen.

Coco

vertan

Ups, die Lesung mit Laurie ist erst nächste Woche. Ich fahr jetzt nach Hamburg. Vielleicht schaff ich’s auf dem Rückweg. Das Hotel ist cool. Samstag Abend gab es hier eine Zaubershow. Und Düsseldorf ist super, Cosplayer überall!

Stella

Liebeskummer

Liebeskummer hatte ich schon häufig. Er ist schmerzhaft, stürmisch und kann 2-7 Tage dauern. Man trinkt unheimlich viel Alkohol, heult sich die Augen aus und knutscht aus der Verzweiflung heraus mit irgendwelchen Typen.

Aber SO habe ich noch nie empfunden. So einen Liebeskummer hatte ich noch nicht:
Es ist ein Kummer, der ganz tief unten sitzt. Er ist immer da, aber nicht so offensichtlich. Er dauert lange – jetzt schon 3 Jahre – mal mehr, mal weniger. Er ist nicht besonders stark. Es ist eher ein kleiner stiller stechender Schmerz, sobald ich an IHN denke. Dann tut es für 2,3 Sekunden höllisch weh.

Es ist der Liebeskummer der großen unerfüllten Liebe.

Natascha