Sicherheit

Beim Zappen durch die gefühlten 1000 Programme im TV lasse ich mir die Frage, was Glück bedeutet noch einmal durch den Kopf gehen und merke, dass ich von der falschen Perspektive aus gedacht habe. Glück bedeutet nicht, zu bekommen, was man schon lange wollte – im materiellen Sinn.images

Glück kann und MUSS ebensogut Stabilität und Sicherheit sein. Für uns selbstverständlich. Doch für viele andere Menschen in anderen Ländern, wie der Ukraine oder Griechenland und Syrien leider nicht. Denken wir uns doch lieber einmal in sie hinein und nicht in uns oder die neue Schuhen von der und der Marke, die wir schon lange haben wollten.

Amy

 

Wohin?

15 Jahre…

15 Jahre sind wir jetzt verheiratet. 15 Jahre, die ausgereicht haben, um uns auseinanderzuleben und die Entscheidung zu treffen, dass wir unsere Ehe wieder in Schwung bringen wollen.

Und was hat es gebracht?

Nichts.

Einsamkeit, eine Begegnung in der Sauna und noch mehr Einsamkeit.

Vergeudete Zeit.

Warum merke ich das erst jetzt, wo alles vorbei ist?

Das Hotel in Schutt und Asche und immer noch keine Spur von Johannes. Jetzt hab ich nicht mal mehr mein Handy. Wenn er jetzt – nach Tagen – auf eine meiner Nachrichten antworten würde, würde ich es nicht einmal mitbekommen.
Wie soll ich ihn wiederfinden?

Will ich ihn wiederfinden?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wohin mit mir.
Nach vorne gehen? Zurückblicken?

Vielleicht setze ich mich einfach erst einmal irgendwo hin.

Martha

Lavendel

Es kann so schnell gehen…
Eben noch habe ich neben Natascha an der Bar gesessen, jetzt sitze ich neben ihr am Krankenhausbett.
Halte ihre Hand, betrachte sie. Nichts weiter.

Sie schläft jetzt, ganz ruhig, atmet regelmäßig ein und aus, und die Hustenkrämpfe scheinen fürs Erste vorbei.

Das Radio läuft, irgendein Song, Lachen und Freude und Glück und ich muss es ausschalten, kann es nicht ertragen. Zu viel passiert, zu viel ungewiss.
Es sind noch andere hier, habe ich gehört. Nicht alle. Einige haben es rechtzeitig rausgeschafft, andere nicht. Ich weiß nicht, wer… Ich will es gar nicht wissen.
Gesehen habe ich noch niemanden, seit wir hier sind. Ich will bei ihr sein, wenn sie aufwacht.

Eben noch habe ich darüber nachgedacht, ob sie perfekt für mich ist, jetzt weiß ich es.

Sie ist immer noch wunderschön, und obwohl alles an uns nach Rauch und Qualm stinkt, duften ihre Haare noch immer nach Parfum.
Lavendel.

Thomas

Auf das Ende!

Alles brennt. Alles geht in Flammen auf. Sogar mein Ego.
Dieser Brand könnte endlich der Anstoß dazu sein, mit mir selbst zu brechen.
Für immer.
Habe so viel Zeit damit verbracht, den prolligen Macho aus mir zu machen, für den mich alle halten -bis ich bemerkte, dass ich das nicht sein will.
Will niemand sein.
Was hält mich noch hier, was hat mich je gehalten?
Nichts.
Schnappe mir den guten Whisky und sperre mich ein. Bleibe hier. Bleibe der Macho, den jeder in mir sieht.
Wozu sollte ich mich bemühen den anderen etwas zu beweisen, wenn ich nicht einmal mir selbst etwas beweisen will?
Irgendwie beruhigend zu wissen, dass gleich alles zu Ende geht. Doch den Whisky, den guten alten Whisky, den nehme ich noch mit.

Wenn ich mir selbst schon ein Ende setze, dann verdammt nochmal mit Geschmack!

Zukunft?

Erst jetzt kann ich mich wirklich dran erinnern.
Das ging alles so schnell und der Schock sitzt einfach zu tief. Die Flammen, der Qualm und der Alarm.

Man steckt all seine Mühen in diesen Job und dann ist alles aufeinmal nur ein Haufen Asche- im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Feuerwehrmänner meinten, dass eine komplette Renovierung nötig ist. Wir sollten uns für die paar Monate wohl lieber einen anderen Job suchen, weil da irgendwas mit der Versicherung nicht stimme.
Hab einpaar bekannte Gesichter gesehen, aber ich weis nicht, ob alle in Sicherheit waren.
Will ich es überhaupt wissen?

Zeit sich anzuziehen. Der Sommer in Australien bei meiner Familie wird mir guttun. Auf der Farm gibt es immer was zu helfen.

Bis hoffentlich bald, mélange.

Lily

Wunder geschehen!?

Ich mache mir zu viele Gedanken.
Um mich – mein Kind – meine (gescheiterte) Ehe..
Doch es kann so schnell gehen.
Dem Leben kann so schnell ein Ende gesetzt werden – und.. und du selbst wirst nicht einmal gefragt!

Heute Nacht.. da brannte das Hotel, in dem wir eine Zeit verweilt sind.
Wir sind unverletzt, aber geschockt.
Wenn man diese lodernden Flammen sieht, dann zieht das Leben ganz schnell an einem vorbei.
Es kommen einem Gedanken in den Sinn, die man sonst immer erfolgreich weggeschoben hat im Alltag.
Wo ich nun bin?
Ich habe meinen Mann angerufen und er war außer sich vor Freude.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir noch einmal über das ein oder andere reden möchten und uns über unsere Zukunft klar werden wollen.
Sollte man so viele Jahre wegschmeißen?
Liebe ich ihn noch? Liebt er mich?
Was wird aus unserer Tochter?

Fragen – Fragen – Fragen.. Die Zeit wird Antworten geben.

Macht es gut!

Marie

schon so spät…
Ich sitze hier immernoch im Krankenhaus bei Yeliz.
Zum Glück hat sie sich durch den Brand im Hotel nur eine leichte Rauchvergiftung zugezogen!
In ein paar Tagen ist sie wieder fit.
Ich hoffe es !
Ich weiß, ich dürfte garnicht mehr hier sein..
Aber es hat noch keiner bemerkt.
Ich weiß noch nicht so recht wohin mit mir..
Solange sitze ich hier bei ihr.
Ich lese ihr aus meinem Buch vor, welches ich bei mir trug, als der Brand ausgelöst wurde.
Es ist von Marc Augé und heißt: Tagebuch eines Obdachlosen.
Irgendwie sehe ich mich darin wieder. Vielleicht versteht Yeliz dann, wieso ich so bin und was mir wiederfahren ist bevor ich sie kennen lernte.
Wie sie hierhin gekommen ist?
Yeliz war leider im Hotel. Ich zum Glück gerade auf dem Weg dorthin.
Dann sah ich plötzlich das Hotel in Flammen stehen.
Da war der Rettungswagen und Yeliz. Alles war abgesperrt. Ich konnte nicht zu ihr.
Ich wusste nicht was ich machen sollte.
Dann wurde mir gesagt sie sei hier im Krankenhaus.
Ich bin dann direkt zu ihr und ich bleib hier bei ihr, aufjedenfall.
Wir sind mittlerweile so gute Freunde geworden.
Uns verbindet die Liebe zur Literatur!
Dort fing unsere Freundschaft auch an, als wir uns in der Bibliothek kennen lernten.
Ich glaube, nein ich bin mir sicher! – wir werden diese Liebe zu Büchern immer teilen.

Maurice

Gescheitert

Berlin, du grauer Segen. Ich komme zu dir zurück.

Berlin, du grauer Segen. Ich komme zu dir zurück.

Ich wache schweißgebadet auf, die Sonne lacht bösartig durch einen Spalt zwischen den Gardinen. Als wollte sie mich hämisch darauf aufmerksam machen, wie verkorkst ich doch sein muss, dass ich mitten im Hochsommer bis abends schlafe anstatt den Nachmittag zu nutzen und schwimmen zu gehen oder zumindest mit einem guten Buch ein Café zu besuchen oder mich überhaupt sozial zu integrieren. Eben das tun, was die Welt so tut.
Verdammter Sommer, normalerweise wäre die Sonne längst da, wo sie hingehört – weit weg von mir, wo man sie nicht sehen kann!
Ich denke eine Limo am Kiosk zu kaufen hätte schon ausgereicht um meinen weißhaarigen Psychologen glücklich zu machen. Seine Augen hätten hinter der Hornbrille gestrahlt und ich hätte den Hoffnungsschimmer gesehen und das leichte Zucken eines Lächeln um seine Mundwinkel, weil er gedachte hätte, „für den Jungen gibt es ja doch noch eine Rettung“.

Aber die gibt es nicht – ich habe keine Limo gekauft.
Ich habe bis abends geschlafen.
Betrunken.

„Sie müssen lernen, Ihre inneren Unsicherheiten zu überwinden“ hat er gesagt. „Sie müssen lernen, sich nicht mehr abzuschotten – Sie sind genauso Teil dieser Gesellschaft wie ich oder Molly am Empfang“ hat er gesagt. Doch die Gesellschaft will mich offensichtlich nicht und das ist okay. Ich will sie schließlich genauso wenig.
Oder?

Ich richte mich verschlafen auf und wanke ins Badezimmer. Meine Zigaretten und mein Glas Whisky stehen noch am gleichen Platz wie vorhin.
Nach der halben Flasche muss ich zum Bett gewankt und eingeschlafen sein.
Tja, Scheiß Leben haben die Verrückten, die Neurotiker, die Kranken.

Der Qualm brennt in meinen Augen und der Selbsthass steigt mit jedem Zug, droht mich zu verschlingen – ein grimmig dreinblickendes Monster, voller Gier, voller Hunger und Wut.

Ich werde abreisen, ich kann nicht mehr.
Was soll ich hier noch?
Ich habe es verbockt.
Wie immer.

Vielleicht gehe ich zu meiner Frau.
Nein.
Ich reise ab und gehe zu meinem Therapeuten und erzähle ihm mit Schadenfreude wie hoffnungslos ich bin, wie verloren.
Oder ich reise einfach nur ab in meine winzige, dunkle Berliner Wohnung und trinke dort weiter.
Ja, guter Plan!
Projekt soziale Integration: gescheitert.
Das akzeptiere ich – Scheitern ist ein Charakteristikum meines Daseins.
Von jedem Dasein – aber von meinem ganz besonders.

Benebelt vom Whisky werfe ich meine Klamotten in meine Reisetasche.
Bloß keine Zeit verschwenden, eine weitere Nacht überlebe ich nicht.

Ich sehe mich ein letztes Mal um – blicke auf die Scherben meines Muts, auf das Ende des Neuanfangs, nehme den Zimmerschlüssel mit der großen, goldenen Sieben und verschließe mein neues, gleich zu Beginn zerbrochenes Leben hinter mir.
Ich gebe mich dem Abgrund hin und während ich meine Reisetasche über die Schulter werfe und den Flur entlang gehe, zurück zum Ausgang, merke ich, wie mich meine innere Dunkelheit verschlingt und mir grinsend die Worte „Du Versager!“ vor die Füße kotzt.

Danke, Welt!
Und Tschüß.

Tom