Lavendel

Es kann so schnell gehen…
Eben noch habe ich neben Natascha an der Bar gesessen, jetzt sitze ich neben ihr am Krankenhausbett.
Halte ihre Hand, betrachte sie. Nichts weiter.

Sie schläft jetzt, ganz ruhig, atmet regelmäßig ein und aus, und die Hustenkrämpfe scheinen fürs Erste vorbei.

Das Radio läuft, irgendein Song, Lachen und Freude und Glück und ich muss es ausschalten, kann es nicht ertragen. Zu viel passiert, zu viel ungewiss.
Es sind noch andere hier, habe ich gehört. Nicht alle. Einige haben es rechtzeitig rausgeschafft, andere nicht. Ich weiß nicht, wer… Ich will es gar nicht wissen.
Gesehen habe ich noch niemanden, seit wir hier sind. Ich will bei ihr sein, wenn sie aufwacht.

Eben noch habe ich darüber nachgedacht, ob sie perfekt für mich ist, jetzt weiß ich es.

Sie ist immer noch wunderschön, und obwohl alles an uns nach Rauch und Qualm stinkt, duften ihre Haare noch immer nach Parfum.
Lavendel.

Thomas

finally

… sie haben es geschafft! Der erste Schritt ist gemacht: Er lächelt ihr zu. Sie rückt ein Stück näher. Er streicht sich durchs Haar. Sie streicht sich durchs Haar. Er streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Ich wende mich ab und mixe einen Drink für den merkwürdigen Kerl. Immerhin hat er es nach nahezu zwanzig Minuten an die Bar geschafft. Irgendwie sympathisch. Er scheint richtig zu arbeiten. Da hat er eine Belohnung verdient.

Lily

Fahrstuhlbekenntnisse

Was war das denn?
Das war ja wohl die merkwürdigste Begegnung die ich jemals in einem Fahrstuhl hatte. Und davon hatte ich schon einige!
Ich will in den Fahrstuhl einsteigen und hochfahren. Die Tür öffnet sich und ein Mann starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich starre zurück. Hoffentlich sah ich dabei nicht genau so doof aus wie er. Auf einmal rennt er raus, ich steige ein.
Er dreht sich zu mir um und steigt wieder ein.
Er steht seitlich zu mir. Wir fahren.
„Hallo“, sagt er. „Hi“, sag ich.
Auf einmal drückt er panisch auf den „öffnen“-Knopf.
Ich steige in der nächsten Etage aus. Er fährt wieder runter.
Irgendwie gruselig. Hoffentlich nicht nochmal im Fahrstuhl.

Natascha

Liebeskummer

Liebeskummer hatte ich schon häufig. Er ist schmerzhaft, stürmisch und kann 2-7 Tage dauern. Man trinkt unheimlich viel Alkohol, heult sich die Augen aus und knutscht aus der Verzweiflung heraus mit irgendwelchen Typen.

Aber SO habe ich noch nie empfunden. So einen Liebeskummer hatte ich noch nicht:
Es ist ein Kummer, der ganz tief unten sitzt. Er ist immer da, aber nicht so offensichtlich. Er dauert lange – jetzt schon 3 Jahre – mal mehr, mal weniger. Er ist nicht besonders stark. Es ist eher ein kleiner stiller stechender Schmerz, sobald ich an IHN denke. Dann tut es für 2,3 Sekunden höllisch weh.

Es ist der Liebeskummer der großen unerfüllten Liebe.

Natascha

Karussellfahrt

Vielleicht kommt Thomas ja nachher noch. Ich warte mal. Mit Alkohol kann ich ganz gut das Warten verkürzen. Mit Gedanken auch.
Furchtbar. Sie sind kaum zu stoppen. Wie ein Karussell. Ich bin wie ein Karussell. Ja! Das ist eine gute Beschreibung für mich.. Vielleicht finde ich später in der Bibliothek ein Buch über Gedanken-Karussells. Da muss sich was ändern.
Wie Thomas mich wohl sieht? Wie die Katastrophe, die ich tatsächlich bin? Ich mag ihn. Er ist klug und sieht gut aus. Ich hasse es, dass ich ihn mag.
Irgendwann wird er Fragen stellen. Fragen, die ich nicht beantworten möchte.

Natascha

Gedanken vor dem Einschlafen

Natascha erzählt mir nicht viel von sich.
Ich weiß, dass sie aufgrund eines Vorstellungsgespräches hier ist.
Wie alt sie ist? Ich weiß es nicht.
Hat sie Familie? Ich weiß es nicht.
Schade, dass ich es nicht weiß.
Sie ist einsam, glaube ich. So wie ich.
Bin ich einsam?
Ist man ohne Familie und mit nur wenigen Freunden, die man an einer Hand abzählen kann, einsam?
Oder macht die Gesellschaft mich zu einem einsamen Menschen, da sie Einsamkeit so definiert?
Fragen – Fragen – Fragen. Antworten keine.
Ich kann diese Fragen in meinem Kopf nicht ordnen und liege Nacht für Nacht wach und suche nach Antworten. Allein.
Sie ist geheimnisvoll.
Sie erzählt nicht viel, aber ihre Worte bringen mich zum Nachdenken.
Es lässt mich nicht schlafen. Sie lässt mich nicht schlafen.

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Thomas

nichts

 

Ein Auszug aus Mozarts Tagebuch. Es ist also schön,  wenn man nichts erlebt. Ist es das? Inwiefern kann man „nichts“ erleben?  Vielleicht wenn man bloß rum sitzt. Oder wenn man keine Fortschritte erzielt. Ja, das wird es sein. Keine Fortschritte. Ich hasse es, wenn ich in meiner Entwicklung stehen bleibe. Ich muss mich wieder weiter entwickeln. Das war ein Zeichen!

Natascha

Mütter

Nach den schrecklichen Kopfschmerzen von dem Wein letztens erstmal kein Alkohol mehr. Wie konnte der Typ nur so viel Mojitos trinken? Hoffentlich hatte der auch einen Kater.
Jetzt erstmal Mutti anrufen und gratulieren, ist schließlich Muttertag. Sollte sie echt mal öfter besuchen, aber zuerst muss ich das Vorstellungsgespräch morgen hinter mich bringen. Geht ja um meine Zukunft, das versteht sie schon. So sind Mütter eben.

Natascha

Unglaublich

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Na toll, hier an der Bar ist ja auch ein Mann. Überall Männer.
Was macht er denn da? Einen Cocktail trinken? Alkoholiker vielleicht.
Oder gestresster Familienvater, der sich mal ’ne Pause gönnen möchte.

Uuund noch einen Mojito für ihn.
Ach, was soll’s. Setze mich auch mal an den Tresen. Ein kleiner Wein kann
ja nicht schaden…

Natascha

Alleinsein

Hier bin ich also. Alleine. Weit weg. Es ist befreiend,  mal etwas anderes zu erleben und neue Leute zu treffen. Hier ist ja schon einiges los. Alleine bin ich irgendwie doch nicht.  Mit so vielen Menschen kann man nicht alleine sein. Oder bin ich mehr allein mit so vielen Menschen, als mit wenigen?? Und dieser Mann dort drüben… Ich flüchte mal lieber in die Bar, bevor er mich noch anspricht.

Natascha