Der Tag, an dem in meiner Heimat Karneval gefeiert wurde, und ich währenddessen Papiere ausfüllte.

2011
11.11

Alles fing damit an, dass ich ins Theater gehen wollte. Heute. Gar nicht so schwierig eigentlich. Kostet 15 Euro, mit der Jugendkarte „carné joven“ nur 4 Euro. Die Karte kostet 6 Euro. Eins plus eins macht zwei, also spare ich schon, wenn ich die Karte für nichts anderes mehr brauche. Was hält mich also auf, die Karte zu beantragen? Einiges, wie ich lernen sollte.

 

 

 

 

 

 

 

Fünf Minuten von zuhause weg ist das Jugend-Büro. Nach längerem Suchen des Eingangs (gar nicht so leicht!), habe ich einen Antrag bekommen, mit dem ich zur Bank sollte, die sechs Euro bezahlen. Um dann mit dem Antrag, meinem Mietvertrag und meinem Reisepass wiederzukommen. Büro hat noch bis 14.00 Uhr auf, easy, das mit dem Theater könnte klappen.

Mietvertrag und Pass aus der Wohnung geholt, auf zur Bank, Frau am Schalter hilft mir, das Formular richtig auszufüllen – wenn ich es richtig gelesen habe, ist es der selbe Schrieb, den man ausfüllen muss, wenn man irgend’ne Strafe bezahlen muss.

Weitergeschickt zum nächsten Schalter, wo ich bezahlen sollte. Aber plötzlich das erste gravierende Problem: Ich habe keine NIF! (ähh…. Número identificación f…..facile?) Ich hab an der NIF-Stelle meine Passnummer eingetragen (die hier ALLE immer bei jedem Kack wissen wollen). Nee, geht nicht. (Kann ich ohne NIF auch keine Strafen bezahlen? Hihi)

Also zurück zum Jugendbüro. Noch eine Stunde Zeit. Ich sehe mein Theater schwinden. Im Jugendbüro ist die zuständige Dame wegen Krankheit nach Hause gegangen, ich werde an ihre Kollegen weitergeleitet. Zu fünft (oder sechst?) kümmert man sich um mich. Sehr fürsorglich, diese Bürokratie in Spanien. Als klar wird, das ich keine NIF habe (No tiene ’niff’ ???), treffen mich sechs beinahe mitleidige Blicke. Sie hat keine NIF!! Als wäre ich nur ein halber Mensch ohne NIF, haben alle sechs Leute unterschiedliche Ideen, wie ich an eine kommen könnte. Ich konnte vielleicht meine DNI eintragen? (sprich: Deniiyye, ein Wunder, dass ich das verstanden habe!) DNI ist die Nummer des Personalausweises, der gut behütet bei meinen Eltern in Schwerte liegt. Gut! (hätte aber eh nicht funktioniert, also egal.)

Am Ende einigen sie sich darauf: ich muss in die Neustadt (neeeeeein, halbe Stunde Fußmarsch) und dort in einem Ausländer-Büro irgendwas beantragen, damit ich eine Ausländer-NIF bekomme (kostet by the way zehn Euro!). Sie telefonieren wild umher, geben mir Adresse, Telefonnummer und zeigen mir an ihrem PC die Googlemaps-Karte, wo ich hin muss. Aber natürlich hat der Spaß nur bis 14.00 auf, das ist nicht machbar. Zu mal ich mit der 10-Euro-NIF ja auch wieder hier hin kommen muss, um die Karte zu bekommen. Toll, ich muss wohl entweder doch heute noch mal 15 Euro im Theater bezahlen oder diesen Abend mein Politik-Essay schreiben…

Vorsichtig frage ich, warum ich den eine NIF brauche. Na, für die Bank-Bezahlung! (Erstaunlicherweise muss ich kein spanisches Konto haben). Und warum ich die sechs Euro (Leute, es sind nur SECHS Euro) nicht einfach bar bezahlen könnte, hier, vor Ort? Als wäre es sonnenklar, sagen drei meiner sechs Helfer gleich: na ja, ich hätte dann schließlich keinen CIF! AHAAAAA. Keinen CIF! Hä?

Dann ergreift die Frau das Wort, die schon die ganze Zeit so seltsam rumflüstert, als hätte sie eine illegale Idee, wie mir zu helfen ist. Eigentlich müsste sie mir böse sein, da ich ihr anfangs meinen Trinkbecher vor die Füße geworfen habe, aber sie kommt wohl mit Wasser klar. Sie wuselt mit meinen Papieren umher, läuft zum Chef, und lässt ihn herumtelefonieren. Ich unterhalte mich währenddessen mit Helferperson 4, der eine viel zu große Brille trägt und sich dafür interessiert, was ich studiere.

Ich höre den Chef in sein Telefon sprechen und verstehe, dass er von mir redet. Und plötzlich hat die Flüster-Frau einen Code!! Ich habe einen niff!

Also schnell zur Bank (noch 30 Minuten!), prompt finde ich keine und brauche Ewigkeiten bis es klappt, dann bezahle ich sechs Euro, bekomme einen Stempel und eiere zurück ins Jugendbüro. Noch zehn Minuten!

Die Frau braucht 3 Anläufe (in Worten: DREI!!!), um meine Karte auszufüllen, und auf der letzten Version sind immer noch zwei (gar nicht so kleine) Fehler: mein Nachname fehlt und das Ablaufdatum ist falsch. Aber gut, ich werde es wohl aushalten, dass der Pass 2019 statt 2020 ausläuft. Und mit Passnummer und Vornamen werde ich wohl ins Theater gelassen. Deutscher Reisepass ist ja auch nicht ganz einfach.

Am Ende muss ich NOCHMAL ein Papier ausfüllen (Ich bin jetzt gut darin). Und dann: Ich habe alfin die CARNÉ JÓVEN!!

Und nicht nur das: ich habe auch gelernt, wie man Bürokratie überwindet: mit Geduld, ganz viel spanischer Gelassenheit und vor allem: Liebenswürdigkeit.

Ich wette, jetzt ist dieses ‚espectáculo’ heute Abend im Teatro Falla der totale Reinfall, jetzt, wo ich mich so angestrengt habe. Und bisher will auch noch niemand mitkommen (ich könnte die netten Leute von Jugendbüro fragen….). Aber das Theater ist wunderwunderschön und ich war erst einmal dort. Es gibt also keine Gründe, auf den Politik-Essay auszuweichen. Qué bien!

Share

2 Responses to “Der Tag, an dem in meiner Heimat Karneval gefeiert wurde, und ich währenddessen Papiere ausfüllte.”

  1. Favoritiza sagt:

    Na dann! Alaaf aus Nippes!! Nicht daß ich feiern würde, hatte heute schon bei Ama genug Rambazamba...Liebenswürdigkeit hat MiR am Ende heute gefehlt..Geduld dann auch...drei Stunden Kommando Pimperle hatten mich zermürbt. Das war mein Theater. Wie's für Dich im Theater war, wirst Du wohl kolportieren - vender libros por las calles Und wie gesagt: Alaaf You!

  2. Merle sagt:

    Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh alle Vorstellungen sind gecancelt... das hätte ich jetzt nicht gebraucht, auch wenn es ein Truman-Show-Ende der Geschichte ist. Wuuuäääh.

Your Reply