Der Eingang bin ich…

Dantes: Der Eingang bin ich… Eine Satzfolge, die ihresgleichen sucht. Auch wenn meist nur ihr Ende zitiert wird. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber in wenigstens einer Hinsicht haben Bret Easton Ellis und ich etwas gemeinsam. Es ist ein Faible für diesen einen Satz von Dante, den jeder kennt, der das Ende der Folge und der Anfang der Hölle ist und der im Original wie folgt lautet: Lasciate ogne speranza, voi ch’intrate. Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr eintretet. Oder, kanonisch und entsprechend getragen: Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren.

Der steht bei American Psycho dick irgendwo in Manhattan an eine Wand gesprayt und ist genauso metafiktional wie er bei Dante ist. Der Satz ist diegetisch, weist aber weit über die Diegese hinaus. Selbst als das Fragment, als das er präsentiert wird. Und doch ist er lange vor Ellis zu bürgerlichem Kulturgut geworden, findet sich in Meyers Konversationslexikon, müsste eigentlich tot sein. Wie, dass er dennoch etwas zu geben imstande ist? Wie, dass er dennoch eine Gänsehaut hervorrufen kann? – Und das kann er, wie mein Unterarm beweist.

Der Satz ist ja zunächst eingebettet in einen Kontext, den man, glaube ich, schon kennen sollte. Dante kommt  in der Mitte seines Lebens, wie er sagt, an die Höllenpforte und betätigt sich dort unten als guter Tourist. Er hat Vergil zum Führer, der, natürlich, nicht ganz bis nach oben mitdarf, und erlebt allerlei irgendwie Strindberg’sche Abenteuer, wenn man das so anachronistisch ausdrücken darf.

Dante: Lasciate ogne speranza! Ich: Und zwar am besten jetzt!

Dante kommt an die Pforte. Und da steht dann auf Deutsch „Der Eingang bin ich zu der Stadt der Trauer, der Eingang bin ich usw.“. Im Italienischen ist das schon irgendwie smoother: „Per me er me si va ne la città dolente,
per me si va ne l’etterno dolore, per me si va tra la perduta gente.“ Also: Durch mich geht’s hinein in die Stadt der Schmerzen, durch mich geht’s hinein zum ewigen Kummer, durch mich gehen wir unter das verlorene Geschlecht.

Das ist keine metrisch adäquate Übersetzung, klar, aber sie macht doch deutlich, wie sich hier eine statische, monolithische, deutsche Vorstellung „der Eingang bin ich“ gegenüber einer dynamischen, romanischen, florentinischen verhält „durch mich geht’s hinein“. Nämlich so wie Schotter zu Mosaik – is irgendwie das Gleiche, irgendwie aber auch nicht.

Verliert die Hölle dadurch etwas von ihrer Düsternis? – Ja, schon, sie wird dadurch irgendwie verspielter, weniger teutonisch dunkel, dantesker, man könnte auch sagen: mittelalterlicher.

Dante – der der’s erträglich macht

Es ist ein romantischer Topos, klar, aber ich glaube, dass die Dunkelheit erst mit der Aufklärung kam. Erst das Licht schafft die Dunkelheit, so wie der Tod das Leben zum Leben macht – und das Mittelalter, das nimmt die Dinge vielleicht gar nicht so krumm. Da werden halt Köpfe benagt im Wasser unter Charons Kahn, na und? – Psychosen erwachsen daraus wohl nur dem post-descartschen Subjekt. Schließlich: Wem soll eine Psychose erwachsen, wenn es kein Subjekt gibt, dem die Psychose sich, benagend, nähern kann?

Und damit ist der Eingang in den Blog der Schmerzen auch irgendwie schon an seinem Ende. Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren. Zumindest, so sich eure Hoffnung auf Stringenz, Kohärenz und wissenschaftlichen Mehrwert gerichtet hat. In diesem Sinne. Mehr gibt’s hier.


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