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Berzah

Gestern habe ich die ersten Werke geschaut und bin dabei sehr unsystematisch vorgegangen. Ich habe mir wild Filme rausgepickt, die mich ansprachen, ohne auf die Herkunft zu achten, und einige kurze und längere hintereinander geschaltet. Ich muss ehrlich sagen, dass mich die ersten paar Werke nicht erreichen konnten, bei denen es sich aber auch hauptsächlich um experimentelle Formate handelte. Vielleicht habe ich ihnen nicht den nötigen Platz im Kopf eingeräumt, vielleicht braucht es doch den konsekutiven Ablauf des Programms, vielleicht brauche ich den abgedunkelten Raum des Kinos doch mehr als gedacht.

Doch dann: Berzah war der erste Film, der mich in seinen Bann gezogen und einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Möglicherweise dem leicht humorvollen Unterton geschuldet, vielleicht auch der schönen Szenerie – das Fernweh ist dieser Tage besonders groß! – auf jeden Fall hat mich Berzah, so abgedroschen es klingt, auf irgendeiner Ebene erreicht.

Es handelt sich um einen Mini-Episodenfilm, der uns drei kleine Ausschnitte aus einem heißen Sommertag in der Türkei zeigt. Auch wenn die drei Episoden – die einmal eine Hotelbesucherin, einen Vater mit seiner Tochter und einen Möbelpacker zeigen – keinen offensichtlichen Zusammenhang aufweisen, so verbindet sie ein Element: Endurance – for lack of a better german word. Aushalten trifft es nicht ganz. In der ersten Episode sehen wir eine von der Hitze geplagte Frau, die sich, die Haut schon ganz verbrannt, trotzdem noch in die Sonne legt und sich träge von einer Seite auf die andere wirft. Die Kamera zeigt dabei in unglaublich detaillierter und aufmerksamer Weise ihren Kampf mit der Hitze, den Schweiß auf der Stirn – man kann sie praktisch spüren, die gleißende Sonne.

Ähnlich verhält es sich mit den anderen Episoden, ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen. Die alltäglichen Herausforderungen, die die Protagonisten durchlaufen, werden für den Zuschauer spürbar, sensualisierbar, dass es einem fast unangenehm ist. Und trotzdem möchte man nicht wegschauen – eine interessante Erfahrung!

– Milena –

7 Antworten auf „Berzah“

Danke für den Hinweis! Ich hatte beim browsen durch die Programme die Beschreibung gelesen und dann war der Film doch wieder durch meine Aufmerksamkeit gerutscht. Jetzt habe ich ihn doch gesehen. Und ja, ich finde auch, dass es ein Film ist, der spürbar wird. Vielleicht durch die Sonne, diese Hitze, die die Episoden verbindet?

Auf jeden Fall - ich denke auch, dass die "gleißende Sonne" das ist, was in diesen Episoden spürbar für uns wird. Die Hitze, und wie alles dadurch alles mit einer besonderen Anstrengung verbunden ist. Und die Touristin liefert sich dem noch freiwillig aus! Die Szene mit dem Sonnenbrand hat auch etwas abjektes, da musste ich mich tatsächlich kurz wegdrehen ...

Wow. Ich habe mir gerade den Film gemeinsam mit meiner Mutter angesehen. Ich dachte, das wäre durch unsere kurdischen Wurzeln ein interessanter Einstieg. Wir hatten auch das Gefühl, die Hitze spüren zu können. Und das Leid der Personen. Uff! Ich wollte der Touristin Wasser reichen, dem Möbellieferanten beim Tragen helfen und den Vater mit seiner Tochter vor etwas warnen - denn ich spürte eine Gefahr, als der ehemalige Student des Mannes auftauchte. Die Möbellieferanten haben mich daran erinnert, wie chaotisch der Verkehr in der Türkei ist. Das wird sich wahrscheinlich nie ändern... Dass die Filmemacherin so jung ist, habe ich nicht gedacht. Hier ein kurzes Interview: https://www.youtube.com/watch?v=wLliLP_HcZE

... ja, als sie sich die haut abpellt...dieses willentliche in der sonne verbrennen und zugleich das zimmer nie wirklich verlassen. sehr verstörend.

Was ich in der Pressemitteilung der Preisträger diesen Jahres gelesen habe: Preis für den besten Beitrag des NRW-Wettbewerbs dotiert mit 1.000 Euro Berzah Deren Ercenk Deutschland 2020, 25 Min. 45 Sek., Farbe Begründung: Dieser Film und seine großartige Kameraarbeit sperren uns in ausgefeilte, fast nonverbale Inszenierungsräume: Von der Isolation eines Hotelzimmers über die Enge eines Autos hin zu den steilen Gassen eines Ortes an der türkischen Ägäis. In Berzah gelingt es Deren Ercenk, drei in sich geschlossene Episoden gemäß des Titels in eine Art „Zwischenwelt“ „engzuführen“ und dabei ein packendes Triptychon von quasi-ohnmächtigen Kampfsituationen zu entfalten: Brutzelnde Sonne gegen brennende Haut. Vater-Tochter-Gespann gegen übergriffige Zufallsbegegnung. Mann gegen Schrank. Die Regisseurin stößt uns in einen tiefgründigen Pool soziopolitischer Deutungsmöglichkeiten, die noch lange nachklingen und neugierig auf ihr nächstes Werk machen!

Ah, danke für den Hinweis! Freut mich sehr, dass der Film - verdient - gewonnen hat. Mir erscheint allerdings das Prädikat "Gewinner" fast ein bisschen ... kraftlos? Das ist das falsche Wort, aber ich finde, die Werke sind so unterschiedlich, dass es mir schwer fallen würde eines davon besonders hervorzuheben, mal abgesehen von persönlichem Geschmack. Bei Kurzfilmen scheint mir das noch extremer als bei Langspielfilmen der Fall zu sein, weil man immer wieder ganz neue Maßstäbe ansetzen müsste. Die Jury hat es nicht leicht! Natürlich sind das Preisgeld und die Anerkennung eine sehr schöne Sache für die FilmemacherInnen, aber für mich liegt der besondere Reiz an Kurzfilmen fast ein bisschen in ihrer Fülle und Bandbreite. Nur so ein Gedanke am Rande ;-)

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