Zur Übersetzung von Kaaron Warren’s Hive of Glass

In einer Gruppe von sechs Personen gemeinsam zu übersetzen, bringt einige Herausforderungen mit sich. Nach der halbwegs gerechten Aufteilung der Übersetzungsabschnitte unseres vergleichsweise langen Texts unter Berücksichtigung persönlicher Präferenzen gilt es etwa, bestimmte Einzelbegriffe, beispielsweise fishwives oder bablies, konstant zu behandeln. Auch Stil und Ton der Übersetzung sollten kohärent gehalten werden, damit das finale Leseerlebnis ultimativ so klingt, als läge ein einziger, zusammenhängender Text und kein Flickenteppich aus sechs Einzelwerken vor der Leserschaft. Gemeinschaftliche Absprachen können sich ebenfalls als ganz schöne logistische Herausforderung erweisen, wenn nicht alle Teilnehmerinnen immer gleichzeitig verfügbar sind, um wichtige Fragen zu klären, unter anderem: Wie sollen wir mit lokal spezifischen Realia wie Lebensmitteln oder Feiertagsritualen umgehen? Und was machen wir mit der Überschrift? Hive of Glass kann mehrere mögliche Bezüge abdecken – Seans Körper als geschäftiger Hort der Geister, „gläsern“ vielleicht, weil den Leser*innen von außen Einblick gewährt wird? Oder die Dorfgemeinschaft, die wie emsige Bienen durcheinandersummen und sich überall einmischen, sodass Seans Privatsphäre immer durchsichtiger verschwimmt? Viele weitere Interpretationen, die einer einigermaßen treffenden Übersetzung vorausgehen sollten, sind sicherlich ebenfalls denkbar.

Es herrscht also reger E-Mail-Verkehr in alle Richtungen. Besonders knifflige Stellen müssen gesammelt und als Fragen an die Autorin formuliert werden, auf deren unschätzbares Expertenwissen wir dank des Kooperationsprojekts exklusiven Zugriff haben.

Die Vorteile der Schwarmintelligenz für unser Übersetzungsprojekt sind allerdings auch nicht von der Hand zu weisen. So genießen wir den Input von nicht nur einem, sondern mindestens fünf Lektor*innen mit tiefenscharfem Einblick in den Gesamttext, was bei Entscheidungsunsicherheiten (z.B. „Kam“ oder „war“ der Sturm „wie der Zorn Gottes“? Oder „brachte [er] den Zorn Gottes mit sich“? Oder „brach [er] wie der Zorn Gottes über sie herein“?) und Formulierungsproblemen (z.B. Welche Übersetzung von Maleachis Bibelzitat erzeugt auf Deutsch eine ähnlich humoristische Wirkung wie im englischen Original?), ebenso wie bei Verständnisschwierigkeiten (z.B. Warum „winkt“ Sean den Menschen am Seeufer zu, als er beinahe ertrinkt? Rechercheergebnis: In Australien gehört das zum Standardwissen über Surf Safety, was sicherlich auch Sean bei seinem unfreiwilligen Schwimmkurs in der Schule vermittelt wurde – wer zu ertrinken droht, hebt die Hand, um Hilfe anzufordern!).

In unserem Fall zumindest hat der Einsatz so vieler Übersetzerinnen an einem einzigen Text zwar sicherlich der Koordination etwas mehr abverlangt als eine „normale“ Übersetzung allein oder maximal zu zweit, dafür aber auch ein sehr lohnendes Gemeinschaftserlebnis ermöglicht, von dem wir alle sehr profitiert haben.

Kaaron Warrens Hive of Glass haben im Übrigen alle Gruppenmitglieder persönlich als favorisierten Übersetzungstext ausgewählt. Fasziniert haben uns daran besonders das mystische Setting des versunkenen Skelton, als Kontrast zu Seans aktueller Heimat im staubig-trockenen Howell, die faszinierenden Persönlichkeiten der Protagonisten, der ungebrochene Bann der alten Geistergeschichte und die durch und durch das Spekulativ-Fiktive des Genres verkörpernden Geister, die trotz aller kreativen (und teils auch für Außenstehende etwas abstoßenden) Gegenmaßnahmen Seans Leben zu vereinnahmen drohen, verwoben in Warrens mitreißend dichtem Stil, authentisch, humorvoll und vor allem vom Anfang bis zum Ende ungemein spannend.

Vielen Dank für diese exquisite Gelegenheit, wir haben unsere Mitarbeit an dem Projekt sehr genossen!

Zur Übersetzung von Kaaron Warren’s “The Revivalist”

von Angela Agelopoulou, Laura Feiter, Jana Mankau

Laut dem Merriam Webster Wörterbuch (das Cambridge Wörterbuch scheint den Begriff nicht einmal zu kennen) ist ein Revivalist jemand, der religiöse Wiederbelebungen durchführt oder jemand, der etwas Unbenutztes wiederherstellt oder restauriert. In Kaaron Warrens Kurzgeschichte The Revivalist trifft Letzteres zu. Die Protagonistin Magda tut genau dies: Sie repariert ausgediente Roboter, die sie auf der Straße finden, um ihnen wieder einen Nutzen zu geben.

To revive als transitives Verb bedeutet:

1. Bewusstsein oder Leben wieder herstellen.

2. von einem heruntergekommenem, inaktiven oder unbenutzten Zustand zurückholen.

3. Etwas im Gedächtnis erneuern, Erinnerungen wieder herstellen.

Also im Grunde etwas oder jemanden wiederbeleben. In The Revivalist stellt Magda auch Erinnerungen, die letzten Worte längst verstorbener Menschen, wieder her. Allerdings holt sie diese Menschen nicht zurück ins Leben. Wie also übersetzen wir den Titel der Geschichte?

Im Deutschen gibt es diverse Möglichkeiten:

Die Wiederbeleberin

Die Restauratorin

Die Erweckerin

Schauen wir uns die genannten Übersetzungen genauer an. Wenn wir den Begriff Wiederbeleber/in hören oder lesen, denken wir an die Wiederbelebung eines Menschen. Diese Person hätte dann ein Bewusstsein. In The Revivalist jedoch werden die Roboter zwar mithilfe menschlicher DNA reaktiviert, allerdings haben sie kein menschliches Bewusstsein, da sie nur die allerletzten Worte der toten Person wiederholen. Des Weiteren müsste hier aber noch diskutiert werden, ob die Wiederherstellung von Erinnerungen gleichwertig mit der Wiederherstellung eines Bewusstseins wäre.

Der zweite Titel Die Restauratorin käme in Frage, da der Begriff Restauration auch im Kontext von Veränderung und Wiederherstellung verwendet werden kann. Allerdings wird der Begriff meist in Zusammenhang mit der Restaurierung von Kunst verwendet, wodurch der Titel falsche Assoziationen wecken würde. 

Die dritte Übersetzung, Die Erweckerin, ist durchaus passender, da dieser Begriff kein Bewusstsein des Erweckten impliziert. Für diesen Titel haben wir uns letztendlich entschieden.

Trotz des herausfordenden Titels machte uns die Arbeit an The Revivalist großen Spaß. Warrons Kurzgeschichte handelt von komplexen Thematiken (einschließlich der schweren ethischen Fragen die mit der schnellen Entwicklung von Technologien verbunden sind). Allerdings, dank des eleganten und schlichten Schreibstils ist die Geschichte leicht zu verstehen (im Gegensatz zu anderer australischer spekulativer Belletristik, mit der wir uns auseinandergesetzt haben). Im Verlauf der Geschichte fühlt man mit den Opfern mit, interessiert sich für die Umstände ihres Todes, und vollzieht ihren Schmerz (und den der Angehörigen) nach, so dass man sich Gerechtigkeit für sie wünscht. 

Die Handlung eignet sich perfekt für eine ethische Diskussion über das menschliche Eingreifen in die Natur. Obwohl die Geschichte fiktiv ist, ist die Idee der Wiederbelebung und der Einpflanzung menschlicher DNA in ein Objekt (insbesondere in Roboter/Androiden), um das Leben des Menschen zu verlängern, nicht so weit von der Realität entfernt, wie es erscheint.

Durch die spannende Thematik und relativ einfache Sprache ist die Geschichte perfekt für Einsteiger in australische spekulative Belletristik geeignet (und für solche, die sich allgemein für die Optimierung des Menschen interessieren).


According to Merriam Webster‘s Dictionary (Cambridge Dictionary apparently doesn‘t even know this word), a revivalist is someone „who conducts religious revivals“ or someone „who revives or restores something unused“. In Kaaron Warren‘s short story The Revivalist (published 2018)we are certainly talking about the latter. Our protagonist Magda does restore unused robots she finds on the streets, giving them a purpose, and a function.

To revive, as a transitive verb, means

1: to restore to consciousness or life

2: to restore from a depressed, inactive, or unused state: bring back

3: to renew in the mind or memory

So, essentially, it is about restoring something or someone. In the story, Magda also restores memories, the last words of people long dead. But she does not bring those people back to life. So, how are we to translate the title of this story?

The German language offers us various options:

Die Wiederbeleberin

Die Restauratorin

Die Erweckerin

Let us take a closer look at those possible translations. In German, when we come across the term Wiederbeleberin, we would think of someone bringing another person back to life. This person would then have a conscious self. However, in The Revivalist, the robots are revived but they do not have a consciousness as they only repeat the last words of the victims. Moreover, here we would have to discuss if restoring memories can have the same status as consciousness.

Die Restauratorin is another possible choice as it is frequently used in terms of change and revival. However, the term is most frequently associated with the restoration of artworks and therefore may not be a suitable translation.

The third translation, die Erweckerin, would work better as it does not necessarily imply a conscious self. This is the title we chose in the end.

Despite the difficulties in translating the title, working on The Revivalist has been great fun. Warren‘s short story deals with a complex topic (involving the power of technology and the ethical decisions that come with it), however, due to the author’s beautiful and simple writing style, the short story was easy to understand (unlike other Australian Speculative Fiction stories we have read). Throughout the story you start to get invested in the victims’ lives and deaths and you understand the pain they (and their loved ones) had been through, leaving you wanting justice for them.

The storyline is perfectly suitable for another ethical discussion about human intervention in the course of nature. Although it is a fictional story, the idea of “bringing someone back to life“ by planting a part of human DNA into an object (especially into robots or androids) in order to extend human life is not as far from reality as it might seem to be.

The interesting topic and the relatively easy language make it a perfect beginner story for everyone who is interested in Australian Speculative Fiction (and human enhancement in general).