Bevor sie um 19:30 endlich begann, fragte ich mich die ganze Zeit, wie genau eine virtuelle Live-Eröffnungszeremonie aussehen soll. Meine Vorstellung war eine Art zoom-Liveübertragung, in der mehrere Redner über Webcams zugeschaltet werden. Als es dann losging, sah die Produktion jedoch etwas aufwendiger aus: Man blickte über einen leeren Kinosaal auf eine Leinwand, auf der eine Zusammenschnitt kurzer Ausschnitte aus verschiedenen Filmen gezeigt wurde. Langsam näherte sich die Kamera (sprich, der Blick des Zuschauers) der Leinwand, bis die gezeigte Collage – leider mit einem doch merklichen Schnitt – den gesamten Bildschirm einnahm. Was hier, und auch im Laufe der Zeremonie immer wieder, versucht wurde, war Immersion herzustellen. Wenn man schon nicht wirklich im Kino sitzen kann, dann kann man es ja immerhin versuchen.
Ebenso versuchten die Redner die Zuschauer_innen konstant ans Kino zu erinnern: Lars Henrik Gass, Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, stand vor einem Plakat des Filmfestes und Oberbürgermeister Daniel Schranz vorm Lichtburg-Filmpalast, in dem die Zeremonie eigentlich stattfinden sollte. Ein persönliches Highlight war allerdings die Rede von Klaus Kaiser, parlamentarischer Staatssekretär des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen – oder zumindest der visuelle Aspekt. Kaiser stand in dem schon zu Beginn erwähnten Kinosaal, hinter ihm erstreckten sich die leeren Sitze und die leere Leinwand. An sich ein neutraler Hintergrund, der nicht von seiner Ansprache ablenken könnte, wenn ich nicht wieder und wieder das Gefühl gehabt hätte, dass sein linkes Ohr ab und zu verschwindet. Naja, wahrscheinlich steht er vor einem Greenscreen. Schon fast hatte ich diese Verwirrung vergessen, bewegte sich er sich ein bisschen zu weit zur Seite und sein halbes Gesicht verschwand spurlos. Ein echter Schreck, wenn man nicht ahnt, dass seine Anwesenheit im Kinosaal nur durch technologische Tricks simuliert wird.
Geht der Versuch der Immersion da zu weit? Ist es nicht besser ehrlich zu sein, so wie Gass, der zu Beginn seiner Rede anmerkte, dass er vor seiner Bürotür steht (obwohl auch er durch einen kleinen Sketch am Ende aus seiner vorherigen Authentizität hinausbricht)? Es stellt sich mir die Frage, wie weit die virtuellen Kurzfilmtage gehen werden, um Immersion zu simulieren. Der Blog war ja eigentlich eine gute Lösung: Weit genug entfernt vom eigentlichen Format, um nicht wie ein schlechter Versuch zu wirken, an die eigentliche Planung heranzukommen. Braucht man den Blick in einen Kinosaal mit leichten uncanny valley Effekt, um sich zu fühlen als würde man die geplante Kurzfilmtage-Erfahrung durchleben? Oder sollte ein digitales Filmfest nicht auch auf andere Weise Interesse und Immersion schaffen können?