Teamprojekt – Masterstudium Jüdische Studien

Aufgabe, die sich ein Team im Rahmen des Projektmoduls im Masterstudiengang Jüdische Studien stellt, ist es, eine Präsentation anzufertigen, die auf youtube eingestellt, neugierig auf die rabbinische Literatur machen soll. Im Umfeld dieser Aufgabe beschäftigt man sich mit neuen Lehrmethoden, u.a. mit moodle, das als Lernplattform für den Bereich der rabbinischen Literatur eingesetzt werden soll.

Eine Teilnehmerin macht darauf aufmerksam, dass moodle auf der Educa in Berlin vertreten ist. Das Team beschließt, sich die Aussteller für e-learning und deren Produkte auf der Educa anzuschauen.

Eine Geschichte, die sich sooo nicht zugetragen hat …. oder vielleicht dann doch ….

Als ich den wie immer mit Menschen überfüllten Hauptbahnhof in Düsseldorf betrat, beschlug die warme Luft meine Brillengläser, sodass ich für eine Minute nichts mehr sehen konnte. Die Zeit, die Brille von der Nase zu nehmen und die Gläser mit einem weichen Tuch trocken zu reiben, hatte ich nicht. Eine Strassenbahn war wegen des Schnees ausgefallen, ich hatte 10 Minuten länger warten müssen als geplant, und war nun dementsprechend spät dran. Also kämpfte ich mich blind durch die mir entgegenströmende Menschenmasse und versuchte, den Körpern auszuweichen. Um zu Gleis 18 zu kommen, musste ich die Bahnhofhalle ganz durchqueren. Ich hatte mich um 15.45 Uhr mit meinem Projektteam, vier Studentinnen unseres zweiten Masterstudienganges für Jüdische Studien an der HHU, an der Rolltreppe zu den Gleisen 17 und 18 im Düsseldorfer Hauptbahnhof verabredet. Als der mittlere Teil der Brillengläser wieder durchsichtig wurde, konnte ich die Vierergruppe leicht erkennen, jeder eingepackt in wintertaugliche Jacken, Mütze, Schal und Handschuhe. Vier Augenpaare schauten mich erleichtert an, als ich mit zwei Minuten Verspätung bei der kleinen Gruppe ankam. „Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, dass Sie im Schnee stecken geblieben sind“, sagte Farina, die die Gruppe um eine halbe Haupteslänge überragte. Sie war in einen schicken dunkelblauen Skianorak gekleidet, steckte in engen Jeans mit schneetauglichen Schuhen, trug einen Pagenschnitt und den größten Koffer. Nicolas dunkler Kurzhaarschnitt war unter einer handgestrickten Alpakamütze mit Ohrenklappen verschwunden. Aber auch sie schien in ihrem schwarzen Parka gegen die klirrende Kälte gewappnet zu sein. Karlas pinke Haare schauten unter einer schwarzen Mütze hervor. Sie trug einen ebenso schwarzen Wildledermantel mit einem Innenfutter, einen Rucksack sowie eine große Tasche mit einem Leopardenmuster. Mirjam hatte eine hellblaue Mütze über die dunkelblonden langen Haare gestülpt. Auch sie trug einen Rucksack und einen kleinen Rolly. Ich selbst hatte nach einem langen eisigen Winter, in dem ich täglich mit dem Zug zwischen Köln und Duisburg pendeln musste, einen wadenlangen dunklen Pelz gekauft, der jeglicher Kälte trotzte. Ihn hatte ich übergeworfen, trotz der Vorwarnungen von Farina: „Den können Sie aber in Berlin nicht anziehen, da sind militante Tierschützer unterwegs!!“ Farina hatte in Berlin ihren BA Jüdische Studien abgeschlossen und dann zum Masterstudium an die Heinrich Heine Universität gewechselt – sehr zur großen Freude ihre jetzigen Studienkolleginnen. Man hatte Seminararbeiten zeitgleich hinter sich gebracht und gemeinsam tagelang über Wörterbüchern und Grammatiken gebrütet. Dabei hatte man von dem gemeinsamen Arbeitsplatz in der Universitätsbibliothek aus einen freien Blick auf das neuste Bauwerk der Uni gehabt, einen Glaspalast für die Betriebswirtschaftler, der in kürzester Zeit an bester Stelle des Campus hochgezogen worden war. Nobelst gespendet, aber den Mädels ein Dorn im Auge, die täglich mit der Situation konfrontiert waren, nach Toiletten suchen zu müssen, die nicht wegen „dringender Reparaturarbeiten“ von der Verwaltung gesperrt worden waren. „Wissen Sie, dass D I E eine D R E H T Ü R E bekommen?!“, war ich mehrmals gefragt worden. An diese eher rhetorisch gemeinte Frage hatte sich meist die Bemerkung angeschlossen: „Ich hoffe inständig, dass der Architekt „bei denen“ die Toiletten vergessen hat!“

Als der Zug in den Hauptbahnhof von Berlin einfuhr, wehte ein eisiger Wind, aber noch schneite es nicht. Das sollte sich ändern, sobald wir das Netz der öffentlichen Verkehrsbetriebe verließen. Wie aus dem Nichts brach ein Schneesturm über uns los, als wir uns vom U-Bahnhof Kleiststrasse aus auf den Weg zum Hotel Delta begaben. Innerhalb von Minuten waren Köpfe und Schultern von Schnee bedeckt. Wir mussten Mützen und Mäntel ausklopfen, bevor wir die Treppen des Jugendstilaufganges des kleinen Hotels in der Berlingerstrasse betreten konnten. Zum Glück hatten wir unser Ziel so rechtzeit erreicht, dass wir unsere Zimmerschlüssel nicht an einem Automaten ziehen mussten. Wir hatten beschlossen, uns nicht vom Wetter ins Abseits drängen zu lassen. Zehn Minuten später stapften wir wieder durch den Schnee, kämpften gegen den Wind und fanden das Café Bilderbuch in der Akazienstrasse noch offen. Wir setzten uns an einen langen Tisch am Ende des kleinen Raumes und fingen an, bei Bier, Berliner Weisse in grün und Kamillentee, die Strategie für den nächsten Tag festzulegen. Die Ausstellung der Educa, der e-learning Messe, würde um 9.30 Uhr öffnen. Unsere zweiter Termin würde sich um 14.00 Uhr anschließen. Ich hatte einen Termin mit Michael vereinbart, den ich drei Stunden, nachdem ich meinen Jahresbeitrag bei Xing bezahlt hatte, dort aufgestöbert hatte. Er hatte ein Programm entwickelt, dass komplizierte Texte leserfreundlich edierbar macht, und auch Leser in den Editionsprozess einbinden kann. Wir hatten zunächst gemailt, dann ein Telefonat geführt, in dem ich meine Vorstellungen einer perfekten Edition von hebräisch-deutschen Textausgaben mit ihm diskutiert hatte. Nach etwa 10 Minuten hatte Michael meine Sätze zu Ende gesprochen. Das hatte mich beeindruckt.

Am nächsten Morgen hatte es aufgehört zu schneien. Nachts war ein böses Gerät unter meinem Fenster unterwegs gewesen, das mit einer Art Walze bestückt war, mit der ein Mensch den Schnee plattfuhr und Überreste davon wegpustete. Es hatte gegen 4.00 Uhr morgens angefangen herumzutoben. Um 4.30 Uhr war ich mit gewaltigem Grimm aus dem Bett gestiegen, um mir die Gerätschaft anzuschauen, die mir den Schlaf raubte. Ich hatte schließlich resigniert zu meinen Ohrstöpseln gegriffen und mich gefragt, ob es nicht eine gegen mich gerichtete Aktion gab, die dafür sorgte, dass grundsätzlich zu meinen Unterrichtszeiten das Linoleum in der Uni poliert, die Steine im Gang gebohnert, die Hecke während des Sprachkurses geschnitten und im Herbst zur selben Zeit mit Luftdruck das Laub zusammengefegt werden musste. Dieselbe Instanz hatte nun dafür gesorgt, dass ich hier nicht zur Ruhe kam, obwohl ich morgens einen klaren Kopf haben wollte. Ich zog den Kopf unter die Decke, legte das Kopfkissen darüber und hoffte, dass dies, zusammen mit den verkorkten Ohren, die Geräuschkulisse dämpfen würde. Bald schlief ich ein. Ich erwachte erst, als ich Stimmen auf dem Flur hörte. Zwei Männer unterhielten sich in Englisch. Die Etagentüre fiel ins Schloss. Es war wieder ruhig. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich zwei Minuten vor der Weckzeit wach geworden war.

Berlin war schon hellwach, als wir uns nach dem Frühstück auf den Weg zum Tagungshotel der Educa begaben. Um 9.55 Uhr war das Hotel in Sicht.
Im Foyer fiel ein erster Blick fiel auf ein großes Whiteboard. Es wurde von einem jungen Mann bedient. Er bekam ein Grübchen auf der linken Wage, wenn er sich beim Sprechen auf etwas konzentrierte. Um das Whitebord waren Tische aufgestellt. Auf jedem Tisch befand sich ein laptop. Ich fischte mir eines seiner Prospekte und begann zu lesen. „May I help you“, sagte der Mann mit dem Grübchen. Ich hörte ein makelloses Englisch. Karla und Nicola hatten sich bereits über einen seiner Rechner gebeugt und Farina klinkte sich in das Gespräch ein. Unsere Fragen wurden präzise beantwortet. Nein, ein Sicherheitsproblem könne es bei seiner Lernplattform nicht geben. Er zeigte uns, wie ein Kurs geschützt und einzelne Teilnehmer von Informationen abgeschnitten werden konnten. Er zeigte uns, wie mit Berühren des Whiteboards Inhalte jeglicher Art problemlos sichtbar gemacht und wie bereits vorhandene e-learning Inhalte importiert werden konnten. „It´s learning“ war einfach zu bedienen und ästhetisch ansprechend. Wir warfen einen Blick auf die übrigen Präsentationen, fanden aber nichts, das uns in ähnlicher Weise begeistern konnte. Auf dem Rückweg kamen wir wieder an unserem Ausgangspunkt vorbei. Der Mann mit dem Grübchen lud uns zu einem Spiel ein. Fragen sollten am Whiteboard beantwortet werden. Das System wertete die Anworten sofort aus. Wer im Laufe der Educa die meisten Punkte erreichen würde, bekäme ein i-Pad als Preis. Nicola, Karla, Farina und Mirjam machten sich unverzüglich an die Arbeit. Mirjam schaffte es, 95 % der Fragen richtig zu beantworten.

Nach einem kurzen Mittagessen in einem kleinen indischen Imbiss, tauchten wir erneut in die U-Bahn von Berlin ab, um zum Rosenthaler Platz zu fahren. Dort wollten wir uns mit Michael in einem Internet-Café treffen. Wir betraten das St. Oberholz im Gänsemarsch. Meine Brille beschlug wieder. Ich setzte sie ab und ging auf den Mann zu, der etwa fünf Schritte von mir entfernt mit einem Glas Möhren-Orangensaft in der Hand im Raum stand. Er trug einen hellblauen Pullover mit sanften weißen Querstreifen. Ich reichte ihm die Hand und stellte meine Studentinnen vor. Wir setzten uns an einen großen Holztisch ans Fenster. „Na dann mal los,“ sagte Michael, „was habt Ihr für ein Problem und wie können wir das lösen?“ Er legte ein Blatt Papier auf den Tisch und einen Stift. Karla zog beides an sich und sagte: „Also, wir haben im Hebräischen das Problem, dass wir ohne Vokale schreiben. Geschriebenes ist damit immer mehrdeutig, denn ich kann die Vokale A, E, I, O, U immer zwischen die Konsonanten setzten, wie ich will. Ich kann ausserdem ein Wort noch unterschiedlich schreiben. Ich kann „Philippa“ schreiben, oder „Filipa“ oder „Fiellipha“.“ Sie schrieb dabei den Namen in Hebräisch ohne die Vokale auf den Zettel. „Ich habe zusätzlich das Problem, dass die Texte, mit denen wir arbeiten, ein Hauptthema behandeln, aber, wenn sich der Autor dabei an etwas anderes erinnert, dies in den Text einfügt und dann erst sehr viel später wieder zu dem eigentlichen Thema zurückkehrt. Die Texte kommen daher scheinbar vom Hölzchen aufs Stöckchen, und dem Leser wird dabei nicht klar, warum der Text so aufgebaut ist. Im Hebräischen wird der Aufbau durch bestimmte Wörter angezeigt. Im Deutschen sind diese Wörter nicht besonders hervorgehoben, wenn der Text übersetzt wird.“ „Verstehe ich das richtig,“ sagte Michael, „dass Ihr Einrückungen für bestimmte Textpassagen braucht, um dem Leser klar zu machen, wo Exkurse im Text sind und wo die eigentliche Geschichte erzählt wird?“ „Ja“, alle Teilnehmer der Runde nickten. „Aber wir brauchen eine Leseumgebung, die sich variabel auf verschiedene Leser einstellen kann“, sagte ich. „Wir brauchen maximale Informationen für einen Anfänger. Wenn aber ein Anfänger schon etwas gelernt hat, möchte er dieses Wissen vielleicht nicht mehr angezeigt bekommen. Dann soll er diese Textfunktion wieder ausschalten können und entscheiden, wie viele Informationen er zu einem Text abrufen möchte.“ „Wir brauchen auch Zeichen, die erklären, wie ein Argument in einem unserer Texte aufgebaut ist,“ meldete sich Nicola zu Wort. „Fast jede Aussage ist durch eine hermeneutische Regel konstruiert. Davon benutzen die Rabbinen 32. Aus einer Übersetzung wird aber nicht klar, wie diese Regeln benutzt wurden. Sie sind nämlich auch von bestimmten Wörtern abhängig, die als Signalwörter benutzt werden.“ „OK“, sagte Michael, „dann können wir verschiedene Symbole für die einzelnen Regeln benutzen, die man anklicken kann. Man bekommt dann die Regel erklärt und man kann an die nächste Stelle springen, wo diese Regel ebenfalls benutzt wird. Das ist gar kein Problem, weil die Sätze eines Textes durchnummeriert werden müssen.“

Das Gespräch war konzentriert und angeregt. Die Studentinnen erzählten, wie sie mit Farben verschiedene Funktionen in den alten hebräischen Texten kennzeichneten, um zunächst zu sehen, wie eine Seite aufgebaut ist. Durch die Farben konnten man auf einen Blick erkennen, ob viel diskutiert oder viel im Text erklärt wurde. Dann wurde durch die Farben deutlich, welche Wörterbücher im Bedarfsfall zu benutzen waren. Wurde aus der Bibel zitiert, waren andere Wörterbücher zu befragen als im Grundtext, wenn dort ein Wort unbekannt war. Wenn aber alle diese Informationen schon mit einem Text verlinkt werden könnten, wäre ein wesentlich effektiveres Lernen möglich. Es wäre ausserdem möglich, bestimmte wissenschaftliche Fragen systematisch zu bearbeiten, die wegen der Fülle des Materials bisher nicht in Angriff genommen worden waren. Michael verstand schnell, was wir wollten. Sein von ihm erarbeitetes Editionsprogramm würde alles leisten können, was wir uns für unsere Texte wünschten. Aber wir wussten, dass wir das Geld nicht hatten, um uns diesen Wunsch zu erfüllen. Michael sprach diesen wunden Punkt schonungslos an. „Es kann doch nicht sein, dass ein innovatives Konzept, was die Wissenschaft noch vorne bringt, nicht auch finanziell unterstützt wird!“, sagte er. Wir hatten ihm berichtet, dass verschiedene Anträge, die ich bei unterschiedlichen Institutionenen eingereicht hatte, abgelehnt worden waren.
„Ihr müsst das Geld von anderen Stellen bekommen“, sagte Michael. „Vergesst den wissenschaftlichen Bereich, das dauert zu lange. Ihr müsst euer Konzept jetzt nach vorne und in die Öffentlichkeit bringen. Den Verlagen fehlt das Knowhow, wie sie Texte als e-Texte leserfreundlich darstellen können, und Ihr habt ein klasse Konzept. Lasst euch das nicht klauen oder kaputt machen!“ Wir schauten uns ratlos an.
„Wir machen das so“, fuhr Michael nach kurzer Pause fort. „Ihr stellt eine Powerpointpräsentation von maximal 4 Minuten zusammen, die euer Anliegen in einer witzigen Form auf den Punkt bringt. Sucht euch einen Grafiker, der das dann professionell aufbereitet. Das muss richtig gut rüberkommen, was ihr sagen wollt. Ich mache daraus einen kleinen Film. Den ziehen wir dann auf youtube hoch und schauen, was sich daraus entwickelt. Wenn es gut läuft, dann sind ein paar Leute davon begeistert. Wenn es richtig gut läuft, dann ist jemand so begeistert, dass er euch das Geld für die Editionen gibt.“ Wieder schauten wir uns an. „Hmhh,“ sagte Farina, „das könnten wir hinbekommen.“ „Ja“, sagte Mirjam, „dann machen wir das aber in deutsch und in englisch, dann erreichen wir ein größeres Zielpublikum.“ „Ich kenne eine Grafikerin, die uns bestimmt für ein kleines Geld unter die Arme greifen wird“, sagte Karla. „Und wir würden sehen, dass wir damit bis zum Ende der Vorlesungszeit spätestens fertig sind“, sagte Nicola. Michael nickte. Er grinste und sagte: „Make it so.“

Übrigens: Mirjam hat das i-Pad gewonnen …. und …. bald ist Ende der Vorlesungszeit!

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