Ihr Lieben,
je näher der Abflug rückt, desto mehr Gefühle pro Minute habe ich.
Nach den zwei Prüfungen Abschlussfeierei im Sprachkurs mit internationalen Wunderheiten zum Essen, polnischem Schnaps und Flamenco-Weihnachtsliedern, heute Abschluss-Cena mit der coolsten Theatergruppe ganz Andalusiens, vorgestern Abend letzter Abend der ganzen Amis (die alle nur ein Trimester hier sind), morgen WG-Weihnachten – gestern in einen gaditano-Flamenco-Abend hineingestopert.
Seit Kurzem haben wir eine argentinische WG-Mama, die Camilles Unterhosen faltet, das Gäste-Kabuff und die Küche geputzt hat und die Waschmaschine dauer-okkupiert, dafür aber auch ein bisschen repariert hat. Sie ist supersüß, hat unaufhörlich Gesprächsstoff und gehört zu meinem argentinischen Mitbewohner. Sie tut so, als spräche sie eine andere Sprache („Merle, sagt man das auf castellano so??“ – äääähm…ICH bin da sicher nicht die richtige Ansprechpartnerin!!), hat schon meine Weihnachtsplätzchen vorm Verbrennen gerettet und mir Bio-Sonnenblumenkernbrot aus Deutschland überlassen (NRW war ihr Reisestopp bevor sie nach Cádiz kam).
Neuerdings (Wintersaison!) ist übrigens der letzte Club, der auf dem „Weg des Feierns“ abgelaufen wird (sprich: da geht man hin, wenn alles andere zu macht oder wenn man einfach der Masse folgt), eine Straße weiter von hier, quasi 500m von meinem Bett entfernt. Sehr praktisch also! Obwohl wir uns últimamente zur Ausgehzeit auch mal sehr gern in irgendein Bett kuscheln und Filme gucken um ein bisschen das, was wir hier „kalt“ nennen, zu zelebrieren.
Kurz vor Redaktionsschluss erreichte mich noch eine Eilmeldung: Es wird gemunkelt, dass ich doch schon in der aktuellen ZEIT-Ausgabe bin, hier in Cádiz empfangen wir DIE ZEIT mit deutlicher Verzögerung, also kann ich Euch nur aus zweiter Hand berichten – entonces mirad!
Gestern, nach der letzten Theater-clase (inkl. motivierender Einzelgespräche!), die wie immer mit einem Bier in auf der Plaza endet, bin ich aus Gewohnheit in meine Klavier-Bar gegangen, um noch eine halbe Stunde den Abend ausklingen zu lassen. Zufällig war eine kleine, großartige Flamenco-Gruppe (unplugged!) für diesen Abend angesetzt – exklusiv für eine kleines, gemütliches Publikum gaditano. Und nachdem ich etwas verschüchtert die letzten Akkorde gespielt habe, hat mich eine gaditana angesprochen – und auf das „Willst du was Trinken? Willst du hier bleiben zum Flamenco?“ vom Kellner Jesús konnte ich dann ja nur eine richtige Antwort geben (ich würde ja schon zur Arbeitstruppe gehören, meinte er, als ich vorsichtig nachgefragt habe, ob das denn wirklich ok wäre). Die Musik war himmlisch, meine neue Bekanntschaft Isabel eine richtige „personaje gaditano“ zwischen verrückt und junggeblieben. Wir haben beim Flamenco wild und glücklich mitgeklatscht und OLÉ gerufen – what a fiesta. Isabel hat mich in der Pause ungefähr ALLEN 30 Leuten (inkl. den Flamenco-Sängern) einzeln vorgestellt, als „mi amiga preciosa de Alemania“ und „toca el piano, es una artista!! Y le gusta el flamenco y baile!!“, ich habe am laufenden Band lächelnd „encantada“, „encantada“ gesagt, versucht, die Drink- und Essenseinladungen auszuschlagen, aber …wir sind in Cádiz! Ich durfte nichs bezahlen. Und das war eine richtige Noche gaditana – hinterher hat mich Isabel noch überredet, nochmal Klavier zu spielen, und wir haben gemeinsam gesungen, getrunken, gegessen.
Am Ende bin ich über drei Stunden geblieben, obwohl ich nur für ein paar Minuten Klavierklimperei kommen wollte… Das ist Spanien, das ist Cádiz – und ich habe es mit eigenem Herzen gespürt. Me encanta.
meinst du ,dass man das mit einem Besuch im kalten Nordrhein-Westfalen wirklich toppen kann? Das hört sich alles so wie im Traum an! Aber bitte: trotzdem kommen!!!! Wir erwarten dich sehnlichst!
Wer spricht von toppen? Es geht um Formvollendung. Ja, ich habe Angst vor der Kälte, zumal ich heute einfach mal krank geworden bin... (und die nordrheinwestfälischen Salbeibonbons profesionell engagiert wurden). Ich werde mich dran gewöhnen, dass "Strumpfhose" jetzt bald in die Kategorie "Funktion" gehört. Hasta luego!